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18/06/2016

Foto Marathon 2016 - Im Namen der Rose

Ich hatte mich entschlossen am diesjährigen Fotomarathon Berlin teilzunehmen. Also fand ich mich am 11. Juni gegen zehn Uhr im James June Sommergarten ein. Dieser füllte sich nach und nach mit Kameras und anderer Ausrüstung jeglicher Größe und Qualität. Um elf Uhr war es dann soweit, es wurden das Motto 'Jenseits aller Grenzen' / 'Beyond limits / borders' und die ersten vier Themen bekannt gegeben. Außerdem wurde der erste Treffpunkt genannt, an dem man sich um 15 Uhr den nächsten Themenblock und den Stempel auf der Teilnehmernummer abholen sollte. Also war das Karibuni im tiefen Osten als Wegpunkt gesetzt. Pünktlich zur Themenvergabe war auch P. aufgetaucht, um mir Mut zu machen und mich kreativ zu unterstützen.

Mit seinen aufmunternden Worten "Boah, ich bin froh, dass ich das nicht machen muss. Ich gehe erst mal frühstücken." im Ohr machte ich mich auf den Weg nach Kreuzberg. Eine Auflage an das erste Foto war, dass neben der Erfüllung des Themas auch die eigene Teilnehmernummer teil des Motivs sein sollte, in meinem Fall was das die 452. Ich hatte die Hoffnung auf dem mir als fotogen bekannten Kirchhof am Mehringdamm möglicherweise ein Grab mit der richtigen Nummer zu finden. Leider waren die Gräber nicht nummeriert und auch offensichtlich niemand im April 52 gestorben oder geboren worden. So war ich also der Typ mit dem schwarzen Hemd, der alleine über den Friedhof irrt.

Nach einigem Umherstreifen war ich fest entschlossen, endlich mal das erste Bild zu machen. Um 12 Uhr 44 war es dann soweit. Die Rose war offensichtlich über sich hinaus gewachsen und bot die Möglichkeit, mit meiner Nummer garniert zu werden.

1. Über sich selbst hinaus wachsen / to outgrow oneself

Das erste Bild war im Kasten. Ich war auf dem Weg zum Mehringdamm mit der U6 am Checkpoint Charly vorbei gekommen und dachte, auch wenn es ein bisschen abgedroschen ist, eigentlich ein guter Ort für das Thema Grenzgänger. Da ich der Serie abgesehen von den ja relativ frei interpretierbaren Themen auch motivisch den entsprechenden Charakter verleihen wollte, hatte ich den Plan gefasst, eine Rose in die Bilder zu integrieren. In der Rudi-Dutschke-Straße wollte die Besitzerin gerade ihren Blumenladen zumachen, gab aber meinem flehenden Blick nach und verkaufte mir schnell noch zwei Exempare. Damit ausgestattet kehrte ich zurück zum Checkpoint und fand gleich mehrere Motive.

Ein Grenzstein der DDR, hier erntete ich einige traurige Blicke von Touristen, als ich die Rose drappierte. Das Bild finde ich eigentlich ziemlich gut, allerdings verleiht die Befestigung am Stein eher einen statischeren Eindruck als das Thema verlangte.

alternative version border crosser I.

Von Ost nach West.

alternative version of border crosser II.

Und schließlich das Bild, für das ich mich letztendlich entschieden habe von West nach Ost.

2. Grenzgänger / boder crosser

Für das nächste Thema fand ich das Axel-Springer-Haus ansprechend, soll ja ein Meister der Selbstzensur gewesen sein. Vorher noch kurz zu dm rein um eine weitere Requisite zu besorgen (nein, ich habe nicht immer eine Nagelschere dabei). Die Umsetzung, für die ich mich entschlossen habe ist eher die wörtliche Interpretation des deutschen Titels.

3. Die Schere im Kopf / self sensorship

Die Alternative spielt eher auf den englischen Titel an. Bei diesen beiden Varianten ist mir die Entscheidung tatsächlich relativ schwer gefallen.

alternative version self censorship

Jetzt war es ungefähr vierzehn Uhr und ich war mitten in Kreuzberg, allerdings hatte ich genug Zeit bei einem Kaffee einen Moment Pause zu machen. Ich dachte, wenn ich jetzt innerhalb so kurzer Zeit sogar mehrere brauchbare Alternativen gemacht habe, kann das ja alles nicht so schwer sein. Also mit U6 und M8 Richtung Herzbergstr./Industriegebiet, langsam wurde es wirklich warm und ich habe mich selten so über eine klimatisierte Tram gefreut, in der man einfach mal ne halbe Stunde sitzen kann. Ein bisschen vor der Zeit traf ich also am Karibuni ein, mit der Hoffnung vielleicht ein Kaltgetränk und eine Kleinigkeit zu essen zu bekommen. Leider war beides nicht der Fall, so wartete ich zwanzig Minuten bei durchgeschütteltem, lauwarmen Gerolsteiner, bis ich den nächsten Themenblock bekommen und dem Industriegebiet den Rücken kehren konnte. Zum ersten Block fehlte mir immer noch ein Motiv also wartete ich, bis die Fotografenhorde sich wieder etwas aufgelöst hatte und machte dort am Gelände das erste Quartett voll.

4. Auf der anderen Seite des Zaunes / on the other side of the fence

So weit in Lichtenberg war ich noch nie gewesen, also dachte ich, ich geh mal ein Stück zu Fuß, vielleicht finde ich ja was Interessantes zum Fotografieren. Und eine Kleinigkeit essen könnte ich so langsam auch. Nachdem ich zwei oder drei Tramstationen passiert hatte und einmal kurz auf den Asiamarkt geschaut hatte, bin ich dann wieder in die Tram gestiegen, weil die Umgebung nicht so recht zu meinen nächsten Themen passen wollte. Die M8 brachte mich also zurück zur Petersburger Straße, dort sollte man doch was essen können.

Es war heiß, die Tasche zerrte an meinen Schultern und ich war hungrig. Ich lief also im Nordkiez umher und stellte fest, dass es dort doch nicht so gentrifiziert ist, wie man meinen könnte. Ich kam zwar an einem Crafbeer Shop vorbei, ein hipper Burgerladen oder ein nettes Bistro blieben mir aber leider verwehrt. Als ich dann wieder an der Karl-Marx-Allee am Ausgangsort der Reise ankam und weder ein Bild gemacht noch etwas gegessen hatte, saß ich doch etwas geknickt auf eine Bank und telefonierte mit V. Sie sprach mir Mut zu und wir verabredeten uns an der Warschauer Straße. Mit diesem kleinen Energieschub schaffte ich es in die Grünberger Straße, wo ich bei einer Currywurst mit Darm und Pommes sowie einem kalten Bier neue Energie tankte.

Mittlerweile hatte sich auch B. gemeldet, der durch familiäre Dinge an der Teilnahme am Marathon gehindert worden war, aber durchaus ein bisschen beiwohnen wollte. Er bot mir an, nach Karlshorst zu kommen, von dort aus könnte er mich zur nächsten Station, der alten Börse Mahrzahn bringen. Also verlegte ich den Treffpunkt mit V. zum Ostkreuz. Mit neuem Mut und frischer Kraft fand ich dann auf dem Weg dort hin das nächste Bild.

5. In guter Nachbarschaft / being good neighbours

Am Ostkreuz stellten wir fest, dass die S3 nicht fährt und wir stattdessen per SEV nach Karlshorst fahren müssen. Mittlerweile war es nach achtzehn Uhr und die Hoffnung, vor dem nächsten Treffpunkt noch ein weiteres Bild machen zu können, schwand. Allerdings sah V. mit frischem Auge diesen kuriosen Strauß. Man muss die Themen halt auch mit einer gewissen Freiheit aufnehmen, sonst kriegt man den Film nie voll.

6. Ein jeder nach seiner Facon / live and let live

Auch direkt am S Bahnhof Karlshorst gab es noch ein verlassenes Blumengeschäft zu sehen, was aber auf Grund der hochdynamischen Lichtsituation nicht in den Kanon aufgenommen wurde, sieht aber trotzdem ganz schön aus.

alternative version of unpresentable

Nach einem halbstündigen Aufenthalt im Biergarten machten wir uns mit den nächsten vier Themen wieder auf den Weg nach Karlshorst. Es war jetzt schon halb acht und ich hatte gerade mal die Hälfte der Bilder gemacht. B. hatte vorgeschlagen, die Deutsch-Russischen Festtage zu besuchen, dort sollte sich doch sicher etwas machen lassen. Die Rosen sahen mittlerweile so aus, wie ich mich fühlte. Zwischen unserem Parkplatz in einem Neubaugebiet und dem Festplatz konnte man sie mit großzüger Auslegung als nicht gesellschafsfähig bezeichnen.

7. Nicht gesellschaftsfähig / unpresentable

B. hat die Entstehung des Bildes auch dokumentiert.

making of unpresentable

Nun waren wir also auf dem Volksfest und mir fehlten noch fünf Bilder, es war 20 Uhr und wahrscheinlich noch eine gute Stunde genug Licht zum Bilder machen. Die Rosen waren ziemlich am Ende, daher musste ich etwas offener werden, was das Leitmotiv angeht. Demnach sind die Blumen auf den nächsten Bildern eher schwieriger zu entdecken.

8. Küssen verboten / no kissing allowed

Wo kann es für ein Kind schöner sein als auf den Schultern des Vaters mit einer schönen Zuckerwatte in der Hand. In diesem Fall sitzt M. auf B. und schaut dem Auftritt von Dawai Dawai zu.

9. Der perfekte Ort / the perfect place

Wer in das Video von Dawai Dawai reingeschaut hat könnte ahnen, dass sich auf den Festtagen durchaus auch ein Motiv für das nächste Motto 'Paralleluniversum' gefunden hätte. Allerdings fehlte mir der Mut, russiche Bodybuilder mit Putin T-Shirt und Rote-Armee-Mütze anzusprechen, ob ich ein Foto von ihnen machen kann. Als letztes Ziel war die Else festgelegt worden, so bat ich B. uns Richtung Friedrichshain zu bringen, um dort eventuell die letzten drei Bilder zu bekommen. In der Karlshorster Siedlung waren aber plötzlich gelbe und rote Heckenrosen zu sehen, deren Farben parallel dazu auch in dem parkenden Auto wiederzufinden waren.

10. Paralleluniversum / parallel universe

Ob die Siedlung an sich schon taugt um als Paralleluniversum bezeichnet zu werden muss der Leser für sich selber entscheiden. Ich fand irgendwie schon, habe aber die folgende Alternative dann nicht mit abgegeben.

alternative version of parallel universe

Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und des schwindenden Lichts bot B. an uns nicht nur Richtung Treptow, sondern nach Treptow zu fahren. Aus dem Auto heraus wurde ich auf das nächste Motiv aufmerksam. Wahrscheinlich könnte man mit mehr Zeit und Ruhe mehr aus dem Thema machen, aber ich war ja auch schon zehn Stunden unterwegs.

11. Das Ende der Welt / the end of the world

An dem Heizkraftwerk wollte ich eigentlich nur anhalten um ein paar Rosen zu klauen, wer weiß wofür man sie noch brauchen kann. V. und B. meinten dann aber, vielleicht könnte man hier auch das letzte Bild umsetzen. Recht hatten sie. Industrie - Spiegelung - Rose ist zwar nicht auf der Liste gewesen, das Bild wollte ich aber trotzdem machen.

alternative version Mom, there are limits!

Schließlich kommt die Serie mit einem Selfie zum Ende, so etwas darf ja heute nicht fehlen. Und um halb zehn sind ja eh keine Mütter mit Kindern mehr unterwegs.

12. Mama, es gibt Grenzen! / Mom, there are limits!

Damit war die Serie komplett. Die Regularien schreiben vor, dass bei Abgabe genau zwölf Bilder auf der Karte sein müssen, daher musste ich jetzt noch sortieren. Dazu fand ich mich bei einem kühlen Rollberg im krass bösen Wolf ein. Eine gute halbe Stunde bevor die Abgabefrist vorbei war stand ich in einer langen Schlange müder Fotografen und ließ meine Speicherkarte auslesen. Damit ging der Fotomarathon erst mal zu Ende - Respekt vor den armen Teufeln, die sich für die 24 Stunden Variante entschieden haben.

Wer Interesse hat die Bider auch 'in echt' zu sehen ist eingeladen, das am 30. und 31. Juli im Magazin der Heeresbäckerei zu tun. Ich werde wahrscheinlich am 30. zwischen 16 und 17 Uhr dort sein.

Kleines Fazit:

  • zwölf Stunden sind lang
  • zwölf Stunden sind kurz
  • trage keine fünf Obektive herum, wenn Du eine Serie mit nur einem machen willst
 
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